Kazimierz – das jüdische Viertel

Ein Erholungsurlaub ist das wahrlich nicht. Unser heutiger Rundgang durch das jüdische Viertel Kazimierz begann bereits um 09:00 Uhr. Wir mussten also wieder früh aufstehen und später frühstücken.

Unsere Stadtführerin trafen wir an der alten Synagoge. Wir waren nur drei Gäste, also eine schöne kleine Gruppe.

Die Alte Synagoge.

Der Rundgang umfasste die Zeit vom Mittelalter bis heute. Kazimierz – benannt nach König Kasimir dem Großen – war bis 1800 eine eigene Stadt und das jüdische Viertel war, abgegrenzt durch eine Mauer, ein Teil davon. Im Mittelalter zogen immer mehr Juden aus verschiedenen Ländern Europas nach Kazimierz und die Stadt wurde ein wichtiges jüdisch-intellektuelles Zentrum.

Zaun auf der Szeroka-Straße in Kazimierz.

Während der 3. polnischen Teilung 1795 fiel die Stadt den Habsburgern zu. Ungefähr zu dieser Zeit wurden auch für Juden Familiennamen verpflichtend eingeführt, was vor allem verwaltungspraktische Gründe, u. a. zum Beispiel für den Einzug von Steuern, hatte. Vorher hatten Juden in Osteuropa nur traditionelle Vornamen und flexible Zweit- oder Spitznamen. Die neuen Familiennamen durften sie sich ausdenken bzw. aussuchen oder wurden ihnen von Verwaltungsbeamten gegeben. Um die Integration der Juden zu fördern sollten sie möglichst unauffällige deutsche Namen tragen. Typisch waren aber auch Namen, mit einer Referenz an die Herkunft (z. B. Krakauer, Berliner), an das alte Testament (Grün), Berufe (Salzmann), die Wohnstätte (Rothschild) oder andere phantasievolle, oft poetisch klingende Namen.

Tor in Kazimierz.

Nach und nach erhielten die jüdischen Einwohner dann auch die vollen Bürgerrechte. Die Bevölkerung wuchs und durfte sich im gesamten Stadtgebiet ansiedeln.

Reste der Mauer, die bis 1822 das jüdische Viertel umgab.

Vor Ausbruch des 2. Weltkrieges lebten ca. 60.000 Juden in Krakau, was etwa einem Viertel der Gesamtbevölkerung entsprach, und es gab ungefähr 130 Synagogen und Bethäuser. Heute gibt es noch 7 Synagogen von denen wir einige auf unserem Rundgang passiert haben (nicht mehr alle werden religiös genutzt).

Die Hohe Synagoge (so genannt, weil sich der Gebetsraum im Obergeschoss befand, wohl einmalig in Polen).

In den Jahren 1939 und 1940 verließ ein Großteil der jüdischen Bevölkerung Krakau aufgrund von Repressalien, Vertreibung und Befehlen zum Verlassen der Stadt. Die verbliebenen etwa 11.000 Juden wurden 1941 südlich von Kazimierz, auf die andere Seite der Weichsel, in ein durch Mauern und Stacheldraht abgeriegeltes Ghetto mit einer Größe von ca. 400 x 600 Meter zwangsumgesiedelt.

Ein Großteil der Juden musste in Fabriken in der Umgebung arbeiten, wurde später in Lager gebracht, umgebracht oder starb aufgrund der Umstände im Ghetto.

Denkmal der leeren Stühle im Stadtteil Podgorze, wo sich das jüdische Ghetto befand.

Heute leben ca. 150 Juden in Krakau. Das Viertel ist lebendig mit vielen Bars, Cafés, Restaurants, kleinen Geschäften und Hotels – unsere Stadtführerin sagte, dass diese mehrheitlich von Polen betrieben werden.

Im Inneren der Tempel-Synagoge.

Da Krakau im 2. Weltkrieg nicht zerstört wurde gibt es zahlreiche architektonisch schöne Gebäude, von denen viele hübsch saniert sind. Allerdings sind auch nicht wenige Häuser, aufgrund ungeregelter Besitzverhältnisse, unsaniert und in wirklich schlechtem Zustand.

Ein Haus in Kazimierz.

Der Rundgang war sehr interessant und kurzweilig. Leider war er mit 90 min kürzer als gebucht. Das haben wir aber nicht sofort gemerkt. Nunja, so konnten wir zumindest etwas früher frühstücken.

Unterwegs in Kazimierz.

Bernhard ist seine Erkältung immer noch nicht wieder richtig los geworden Heute brauchte er deshalb mal eine Pause zum Inhalieren und für einen Mittagschlaf. Während er also zurück zur Ferienwohnung ging habe ich noch ein wenig die Stadt erkundet. Ich bin durch das Gebiet des ehemaligen Ghettos im Stadtteil Podgorze gelaufen, dann an der Weichsel entlang, wo die Menschen die Sonne genossen, am Riesenrad vorbei, weiter entlang am Fluss mit schönem Blick auf den Wawel und im Zickzack zurück nach Kazimierz. Dort habe ich ganz versteckt unter einem Gebäudebogen eine kleine Konditorei entdeckt, die es bereits seit 1971 gibt und die drei kleine Tische hatte. Einen Milchkaffee und ein kleines Stück Himbeerbaiserkuchen für insgesamt unschlagbare 3,40 Euro habe ich mir dort schmecken lassen.

Hmmm…

Frisch gestärkt habe ich mir dann noch die Paulinerbasilika, eine barocke Kirche angeschaut und die Ruhe auf dem schönen Außengelände genossen.

Zum Abendbrot war Bernhard ausgeruht und wir haben uns Piroggen in einem kleinen Lokal schmecken lassen.

Nach einem kleinen Spaziergang sind wir dann nochmal zum Bahnhof Grzegórzki gelaufen, wo ich gegen 18 Uhr gesehen hatte, wie zwei Männer einen Grill aufbauen und Kisten mit kleinen Holzscheiten daneben standen. Ich wunderte mich erstens über die Uhrzeit und war zweitens neugierig. Als wir ankamen war dort eine Schlange von knapp 10 Leuten, weitere standen bereits an einem größeren Stehtisch und aßen. Wir reihten uns ein und ließen uns dann noch eine holzgebratene Wurst (ich nenne sie jetzt mal Krakauer) mit Senf und Brötchen schmecken. War sehr lecker.

Schritte: ca. 25.000 – ich habe platte Füße

Wetter: sonnig, blauer Himmel; immernoch sehr kalter Wind.

Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau

Um 05:30 Uhr klingelte heute der Wecker. Wir nahmen um kurz vor 7 den Zug nach Oświęcim, wie Auschwitz auf polnisch heißt. Die Fahrt dauerte ca. 1h. Vom Bahnhof liefen wir in etwa 20 Minuten zur Gedenkstätte. Einen Bäcker mit Sitzgelegenheit zum Frühstücken fanden wir leider nicht, so dass wir uns zwei Sesamkringel kauften und unsere Thermoskanne leerten.

Die Tickets für die 3,5-stündige Führung auf deutsch hatten wir bereits im Voraus gebucht. Vor Ort war es sehr voll – viele Reisebusse und Schulklassen, Besucher aus der ganzen Welt. Die Sicherheitskontrolle am Eingang ähnelt der an einem Flughafen. Alles war übersichtlich und gut organisiert.

Alle paar Minuten starteten Führungen. Unsere begann um 09:45 Uhr. Wir waren eine recht große Gruppe.

Tafel in einem Gebäude im Lager Auschwitz.

Der erste Teil der Führung ging über das Gelände des Zentrallagers Auschwitz, ein ehemaliges Armeegelände, das vorwiegend mit zweigeschossigen Backsteingebäuden bebaut ist.

Dort sahen wir von außen auch das Haus in dem der Lagerkommandant mit seiner Familie wohnte. Im aktuellen Kinofilm „The Zone of Interest“ wird dieses Familienleben direkt am Lager thematisiert.

Lager Auschwitz.

Mit dem Shuttlebus ging es dann weiter zum Lager Birkenau, welches nicht weit entfernt liegt. Es ist ein riesiges Gelände mit Baracken oder den Grundmauern dieser. Bis zum Schluss wurde das Lager stetig erweitert.

Gedenktafel im Lager Birkenau.

Schritte: ca. 20. 000

Wetter: erst bedeckt, dann blauer Himmel; kühl

Sonntag – erst mal treiben lassen

Heute wollten wir uns erstmal treiben lassen. Wir sind also einfach losgelaufen.

Wir entdeckten inmitten eines von Schnellstraßen gesäumten Platzes Reste einer Bastei, schlenderten durch das Offiziersviertel, pausierten auf einer Parkbank am Friedhofseingang und wunderte uns über das rege Treiben dort. Wir dachten schon es wäre ein katholischer Feiertag, weil so viele Menschen unterwegs waren. In der Touri-Info meinte die Dame später, dass die Leute wahrscheinlich alle jetzt auf den Friedhof gehen, damit sie es zu Ostern nicht tun müssten.

Wir passierten dann noch einen militärischen Komplex und eine Universität, allerdings fanden wir keinen Bäcker zum Frühstücken. Das hatten wir uns also zu einfach vorgestellt oder sagen wir mal so, wir sind einfach in die falschen Richtungen gelaufen. Also machten wir uns doch wieder in Richtung Altstadt auf.

Bei einem Bäcker der Kette Lajkonik stärkten wir uns mit einem belegten Bagel und einem Kakao bzw. Kaffee.

Die Regenbogentreppe.

Wir spazierten weiter durch das jüdische Viertel Kazimierz, nach Podgorze, bestiegen die Regenbogentreppe und gelangten schlussendlich zum Krakus-Hügel, der sich etwa 3 km südlich der Altstadt befindet. Vom 16 Meter hohen Hügel hatten wir einen schönen Ausblick auf die Umgebung. Dort „oben“ pfiff der Wind ganz schön eisig und wir mussten uns einmummeln. Rund um den Hügel ist Wiese und im Sommer ist das bestimmt ein herrlicher Ort zum Erholen, für ein Picknick, Sport oder um den Sonnenauf-/untergang zu genießen.

Blick vom Krakushügel Richtung Stadt.

Gleich nebenan gab es einen Steinbruch. Bernhard wollte erst nicht, weil er dachte man dürfe dort nicht hin. Ich wollte ihn aber gern erkunden und wie sich herausstellte war das auch kein Problem. Es gab verschiedene Wege, die auch alle zugänglich waren. Der Steinbruch bot einen herrlichen Kontrast zur Stadt. Das erste Grün kam an den Bäumen zum Vorschein, die Vögel zwitscherten und die Sonne schien. Herrlich!

Blick auf den Steinbruch.

Der Kalksteinbruch wurde 1873 vom Krakauer Bernard Liban eröffnet, weshalb er auch Liban Steinbruch heißt. Im 2. Weltkrieg war es ein Arbeitslager der Deutschen. Heute stehen dort noch Reste der alten Industrieanlagen. 1993 diente das Areal für Dreharbeiten des Films „Schindlers Liste“, worauf auch mit einigen Schautafeln hingewiesen wird. Es gibt dort noch Überbleibsel der Dreharbeiten zu sehen, so zum Beispiel einen Weg aus Repliken jüdischer Grabsteine und Zaunpfähle mit Stacheldraht. Ein interessanter und etwas skuriler Ort.

Die alten Anlagen des Steinbruchs dienten als Filmkulisse.

Auf dem Rückweg streiften wir Fort Benedikt und die kleine Benediktkirche, die beide auf einem grünen Hügel liegen von dem man einen schönen Blick Richtung Stadt und zum Krakushügel hat. Weiter zur Kirche St. Josef, einer wunderschönen Backsteinkirche im neugotischen Stil.

Der Krakushügel. Irgendwie niedlich.

Nach so viel Laufen wurde es Zeit für einen Kaffeestopp. Welch ein Glück, dass nur ein paar Meter von der Kirche entfernt ein gemütliches Café (Lu-kier) mit sehr leckerem Kuchen auf uns wartete.

Die St. Josef Kirche in Podgorze, Krakau.

Fast schon bei Sonnenuntergang überquerten wir die Weichsel über die Bernatek-Fußgängerbrücke, die die Stadtviertel Podgorze und Kazimierz verbindet. In den Stahlseilen der Brücke hängen oder vielmehr tanzen durch die Schwingungen akrobatische Zirkusfiguren des polnisches Künstlers Jerzy Kędziora.

Akrobat auf der Bernatek-Brücke.

Schon etwas fußlahm liefen wir zurück zu unserer Ferienwohnung. Zum Abendessen waren wir im Restaurant Baqaro, das nur etwa 100 m von unserer Unterkunft entfernt ist. Dort gab es leckere Pinsa (so eine Art Pizza) und einen sehr aufmerksamen Service.

Die Weichsel.

Abends merkten wir, dass wir im Gesicht sogar einen leichten Sonnenbrand hatten.

Schritte: 28.366

Wetter: sonnig, aber kalter Wind

Ankunft in Krakau

Wir sind pünktlich in Krakau angekommen und direkt zu unserer Ferienwohnung gelaufen. Das hat keine 10 Minuten gedauert.

Dann haben wir noch einen Spaziergang in und durch die Altstadt gemacht.

Zum Abendbrot gab es Żurek (saure Mehlsuppe) und Piroggen – da hatte ich mich schon sehr drauf gefreut. Es war ein kleines Restaurant einer ukrainischen Stiftung, wie wir dann gesehen haben. Kulinarisch ist sich das also sehr ähnlich.

Der Krakauer Marktplatz (Rynek Główny) am Abend.

Auf nach Krakau

Die Rucksäcke waren gepackt und kein Streik störte unsere Abreise. Der Zug fuhr pünktlich um 11:03 Uhr vom Ostbahnhof los und sollte, laut Info auf der polnischen Bahnseite, so gut wie ausgebucht sein. Er fährt bis nach  Przemyśl an der ukrainische Grenze.

In unserem 6er Abteil sind die meiste Zeit zwei Plätze frei. Sehr entspannt.

Orte und Landschaft ziehen vorbei, es ruckelt gemütlich. Nach ziemlich genau 7 Stunden werden wir in Kraków ankommen. Ohne Umsteigen. Ein entspannter Start in den Urlaub.

Hej Hej Bornholm

Abreisetag! Der Wecker klingelt um 5:00 Uhr. Es regnet. Die Fähre geht um 8:00 Uhr. Um halb sieben wollen wir losfahren. Vorher müssen wir noch alles ins Auto laden, die Betten abziehen, das Ferienhaus durchfegen, Kaffee für die Fähre kochen, Strom ablesen.

Die Fahrt zum Hafen nach Rønne verläuft entspannt, es sind kaum Autos unterwegs. Nach knapp 40 Minuten sind wir da und reihen uns in die wartende Autoschlange ein. Erst werden noch Container entladen.

Ratz fatz sind alle Fahrzeuge auf der Fähre und es geht ziemlich pünktlich los. Dicke dunkle Wolken hängen über der Insel und es ist sehr stürmisch. Die Wellen peitschen gegen die, dem Hafen vorgelagerten, Dämme.

Abfahrt von Rønne

Während Bernhard in der Lounge Platz nimmt (wir haben Fensterplätze ergattert), gehe ich an Deck um mir die Abfahrt anzuschauen. Bei dem Sturm ist das ein richtiges Spektakel. Ich muss mich festhalten um nicht umgepustet zu werden. Die Insel wird immer kleiner. Die Wellen brechen an der Fähre und spritzen teilweise bis aufs Deck. Eine spritzt so sehr, dass sie mich mit komplett nasser Hose zurück lässt. Zeit für die Lounge und unser eingepacktes Frühstück.

Hafen von Rønne

Wir lassen es uns schmecken. Der Sturm scheint nochmal zuzunehmen, denn die Fähre schaukelt mächtig. Manchmal klingt es als seien wir irgendwo gegen gefahren so laut scheppert es. Ein Mitarbeiter der Crew läuft regelmäßig vorbei um zu schauen, ob es allen gut geht. Auf Toilette gehen fällt schwer und dort kann man auch riechen, dass wir stärkeren Seegang haben.

Dreimal meldet sich der Kapitän auf deutsch mit charmantem dänischen Akzent. Beim ersten Mal erinnerte er daran, beim Öffnen der Türen zum Außendeck aufzupassen, erklärt, dass wir recht starkem Wind mit ca. 3 Meter hohen Wellen haben und, dass das noch etwas mehr als eine Stunde so bleiben wird.

Nachdem der Sturm etwas nachgelassen hatte, kündigte er eine etwa 30-minütige Verspätung in Sassnitz an, da wir, des Komforts wegen, langsamer durch den Sturm gefahren sind.

Am Ende kamen wir pünktlich an, was er damit begründete, dass die See vor Rügen so viel ruhiger als gedacht war und wir viel schneller fahren konnten.

In den ersten 5 Minuten Autofahrt auf Rügen haben wir bestimmt mehr Autos gesehen, als in unserem gesamten Urlaub auf Bornholm.

Lichtblick

Über Louisenlund und Aakirkeby zum Strand

Wir dachten schon, Bornholm will uns den Abschied erleichtern, denn heute Morgen regnete es kräftig und es sah draußen sehr ungemütlich aus. Ersteinmal ging ich im Regen Brötchen holen. Dann zauberte das Wetter einen Regenbogen an den Himmel. Das musste ein gutes Zeichen sein!

Regenbogen am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen!

Wir nahmen trotzdem das Auto und die Fahrräder huckepack um nicht bei Regen starten zu müssen und etwas flexibler mit der Rückfahrt zu sein.

Wir stoppten am Louisenlund, einer der größten Ansammlungen von Bautasteinen Dänemarks und idyllisch in einem kleinen Wäldchen gelegen. Bautasteine sind unbeschriftete und in der Regel unbehauene große, schlanke Steine, die um etwa 1100 v. Chr. über Gräbern, an Grabhügeln oder anderen bedeutenden Orten einzeln oder in Gruppen aufgerichtet wurden. Ein gängiger Begriff ist auch Menhir, Asterix-Fans ist er natürlich als Hinkelstein bekannt.

Interessante Infos zu Bautasteinen finden sich hier: https://www.wikiwand.com/de/Bautastein

Im Louisenlund stehen ca. 70 Bautasteine unterschiedlicher Größe. Da es keine archäologischen Untersuchungen gab, ist auch nicht viel mehr bekannt.

Louisenlund

Am Parkplatz Oksemyrevejen an den Paradisbakkernen stellten wir das Auto ab und nahmen die Räder Richtung Aakirkeby. Es ging immer schön durch den Wald, gefühlt mehr bergab als bergauf – es rollte gut – aber es war schon merklich kühler als die letzten Tage. Wieder war es sehr windig, aber diesmal hatten wir sogar Rückenwind.

Der Weg führte uns auch durch ein Freigehege für Wisente. 2011 wurden hier im Rahmen eines Pilotprojektes 7 Wisente aus Polen ausgesetzt. Der europäische Bison, der nach dem 1. Weltkrieg in freier Natur bereits ausgerottet war sollte hier durch sein natürliches Verhalten für mehr Dynamik im Waldboden und beim Bewuchs sorgen. Man wollte also testen, ob der Wisent auf Bornholm leben kann und sich als kostengünstiger Waldpfleger eignet. Da das Umweltministererium mit den Ergebnissen zufrieden waren dürfen die Wisente nun in einem 200 Hektar großen eingezäunten Gebiet leben. Gesehen haben wir leider keinen.

Unterwegs

Über Aakirkeby hatte Bernhard im Reiseführer gelesen, es sei ein sympathisches Städtchen, das man nicht am Wochenende besuchen sollte, weil es dann zu ruhig wäre. Heute war Donnerstag und ich bin nicht sicher, wieviel ruhiger es an einem Wochenende noch hätte sein können.

Am Markt waren fünf Flohmarkstände aufgebaut, ein paar wenige Menschen waren unterwegs, aber sonst war es sehr beschaulich. Zwei Mal in der Woche, unter anderem donnerstags, ist großer Flohmarkt im Ort – ich vermute jetzt mal, dass im Sommer mehr los ist. Wir setzen uns auf eine Bank an der Kirche um diese zu bewundern und schlenderten dann noch durch ein paar Gassen.

Kirche in Aakirkeby

Hat sich der Besuch dennoch gelohnt? Auf jeden Fall! Denn beim örtlichen Bäcker, der in 6. Generation dort ansässig ist und über ein staatliches Bio-Zertifikat verfügt, gab es eines der leckerste Törtchen, die ich je gegessen habe! Ein Emmerbrot haben wir auch noch gekauft.

Hmmm…

Da die Sonne so schön schien beschlossen wir noch zur Südküste zum Strand zu fahren. Den hatten wir dann komplett für uns allein. Wir aßen unser Käsebrot und spazierten barfuß am Strand. In und hinter den Dünen waren überall Ferienhäuser versteckt.

Strand in Sømarken

Über der Ostsee aus Windrichtung sahen wir schon die dicken schwarzen Wolken mit Regen im Gepäck. Für unsere Rückfahrt zum Auto rechneten wir mit einer anstrengenden ca. 25 km Tour, die uns größtenteils bergauf führt und von Gegenwind begleitet wird.

Es lief aber besser als gedacht. Der Wind war wirklich kräftig kam aber meistens von der Seite. So mussten wir zwar aufpassen nicht umgepustet zu werden, mussten aber nicht noch extra gegen den Wind antreten. Steigungen und Gefälle hielten sich auch die Waage. Nach guten 20 km waren wir zurück am Auto, hielten noch einen Plausch mit einem älteren dänischen Ehepaar und als wir losfuhren war auch der Regen da.

In Svaneke genossen wir noch einmal Pommes mit Meerblick. Danach war nur noch Sachen packen angesagt. Der Tag verabschiedete sich mit einem Regenbogen.

Auto stürzt von Klippe und explodiert

… aber von vorn.

So grau wie heute Morgen haben wir Bornholm noch nicht erlebt. Es regnete durchgehend, obwohl der deutsche Wetterdienst und auch das dänische meteorologische Institut eigentlich nur ein paar Tropfen vorausgesagt hatten.

Wir fuhren trotzdem erstmal los und wie andere deutsche Touristen, denen wir unterwegs begegneten, fuhren wir unsere Fahrräder mit dem Auto spazieren, in der Hoffnung, dass am Ziel besseres Wetter herrscht. Nicht mal die Ostsee war zu sehen so grau und verregnet war es. Kein Hoffnungsschimmer, nirgendwo.

In Allinge saßen wir eine ganze Weile im Auto herum. Laut Live-Radar schien bereits die Sonne, draußen peitschte der Regen. Weiter warten. Wir waren nah dran zurück zu fahren und einen Faulenzertag einzulegen. Als der Regen etwas nachließ wollte ich mir wenigstens noch die Bronzefigur vor der Kirche anschauen. Die Skulptur war hübsch und trägt den Titel „Metamorphose“.

Bronzefigur „Metamorphose“ des dänischen Bildhauers und Keramikkünstlers Arne Ranslet

Gleich nach unserem Besuch der Figur vollzog auch das Wetter eine Metamorphose. Die Wolkendecke riss auf und ließ hier und da die Sonne durch. Das ist das Tolle an der Ostsee…es ist eigentlich nie hoffnungslos.

Allinge

Heute wollten wir das Highlight der Insel – die Festung Hammershus, eine der größten Festungsanlagen Nordeuropas – besuchen und mit einer ca. 40 km langen Radtour verbinden. Dafür war es allerdings schon etwas zu spät, weshalb wir ins Fischerörtchen Vang fuhren, dort parkten und uns mit dem Fahrrad erstmal auf den Weg zur Burg aufmachten – immer schön bergauf.

Festung Hammershus

Die Festung wurde etwa Mitte des 13. Jahrhunderts erbaut. Sie war wechselnden Besitzansprüchen ausgesetzt, wurde stetig erweitert und erreichte ungefähr Mitte des 16. Jahrhunderts ihr endgültiges Aussehen. Umgeben ist sie von einer 750 Meter langen Ringmauer. Ab Anfang des 17. Jahrhunderts verlor sie nach und nach ihre Bedeutung bevor man sie 1743 dann schließlich aufgab. Damit war sie dem Verfall preisgegeben und wurde von den Bewohnern der umliegenden Orte als Materialquelle für ihre Bautätigkeiten genutzt. Erst 1822 änderte sich das. Durch einen königlichen Erlass wurde die Ruine unter Denkmalschutz gestellt.

Festung Hammershus

Ab 1890 gab es die ersten Erhaltungsmaßnahmen, die eigentlich bis heute andauern. Aktuell werden gerade Mauern, die in den 60er/70er Jahren mit Zement restauriert wurden erneuert. Auf Hinweistafeln vor Ort wurde erklärt, dass Zement Feuchtigkeit speichert und dies bei Frost zu Problemen führt. Deshalb wird in längeren Mauerabschnitten nun der Zement durch Kalkmörtel ersetzt, weil dieser Wasser wieder abgibt und er gleichzeitig auch dem historischen Baustoff entspricht.

Das Besucherzentrum wurde schön in die Landschaft integriert und bietet, sowohl von der Besucherterrasse auf dem Dach, als auch vom Café aus, einen herrlichen Blick auf die Burganlage. Der Eintritt zur Burg ist frei.

Das Besucherzentrum
Blick von der Festungsanlage Richtung Süden

Als nächstes haben wir uns die Petroglyphen von Madsebakke angeschaut, die zu den wichtigsten Nordeuropas zählen. Sie stammen aus der Eisenzeit und sind bis zu 3000 Jahre alt. Da sie mittlerweile schwer zu erkennen sind werden sie hin und wieder mit Farbe nachgezeichnet.

Petroglyphe

Anschließend radelten wir zurück nach Vang. Der letzte Teil war herrlich… immer schön bergab. Dort angekommen gab es in einem Café am Hafen tatsächlich richtigen selbstgebackenen Kuchen – Rhabarber und Apfel mit Streuseln. Geht doch!

Richtiger Kuchen!

Den späten Nachmittag wollten wir nutzen und an der Küste entlang noch bis zur Felsformation Jons Kapel wandern.

Unser erster Stop war der ehemalige Hafen am Granitsteinbruch. Um den Granit zu verschiffen wurde nicht nur der Felsen durchbrochen um einen Zugang zum Meer zu schaffen, sondern auch eigens ein Hafen mit enormem Tiefgang angelegt. Seit 1896 wurde in Vang Granit abgebaut und viele Männer waren Steinmetze oder arbeiteten im Steinbruch. Nachdem der Abbau nach ca. 100 Jahren nicht mehr rentabel war und eingestellt wurde, ist das Pier für die sportliche Freizeitnutzung angepasst worden. So gibt es Picknicktische, ein Sprungbrett und eine Badetreppe. Auch für Angler soll der Ort aufgrund der Wassertiefe attraktiv sein. Ein langer Betonpfad führt auf aufgeschütteten Steinen ein ganzes Stück weit ins Meer. Ein skurril schöner Ort.

Rundblick ehemaliger Steinbruchhafen in Vang

Unseren Weg zum Steinbruch selbst und weiter zu Jons Kapel konnten wir leider nicht fortsetzen. Ein auf einem Klappstuhl ruhender Mann „bewachte“ den Durchbruch zum Steinbruch und erklärte uns auf deutsch, dass dort gerade ein Film gedreht wird und dort ein Auto von den Klippen stürzen und explodieren würde. Und wirklich, kurze Zeit später stieg schwarzer Rauch auf. Ich hätte das gern gesehen, noch lieber wäre ich weitergewandert.

Rauchwolke des abgestürzten Autos

Schock

Schock 1:

Ich habe mich die ganze Zeit schon gewundert, dass wir nirgendwo Ansichtskarten gesehen haben. OK, wir waren noch nicht in vielen Läden, aber normalerweise laufen die einem doch immer irgendwo mal über den Weg. Dann dachte ich, dass die Bornholmer schnöde Postkarten nicht so toll finden, weil sie sich lieber irgendwelchen Designsachen widmen, verschiedenes Kunsthandwerk oder lokale Produkte herstellen. Doch gestern konnten wir das Rätsel lösen. Es liegt am Porto, besser gesagt an den Portokosten! Eine Postkarte nach Deutschland kostet 36 dänische Kronen, das sind knapp 5 Euro. Pro Karte wohlgemerkt! Damit fällt die Urlaubspost dieses Mal aus….

Schock 2:

Unser Urlaub ist bald rum. Uns bleiben nur noch drei komplette Tage auf der Insel. Oh man…

Schock 3:

Die Queen ist gestorben?! Wir lesen ja momentan keine Nachrichten etc., aber als Bernhard bei Youtube nach einem Video mit dänischer Aussprache gesucht hat, wurde es ihm angezeigt…

Windmühlen-Tour

Bernhard war heute früh wach und erledigte gerade den Abwasch, als ich aus den Federn kroch.

Statt zum Brötchenholen nach Svaneke zu radeln, machte ich es wie Bernhard gestern: ich ging 350 Meter die Straße entlang zum Selbstbedienungsstand, wo es täglich ab 08:30 Uhr frisch gebackene Sauerteigbrötchen und -brot gibt. Eigentlich mag ich die Variante mit dem Fahrrad lieber… die Ostsee links, Felder rechts, bergauf, bergab, dann die Windmühle am Ortseingang und die hübschen Gassen im morgens noch etwas verschlafenen Ort.

Um 10 Uhr starteten wir heute unser Tagesprogramm. Bernhard hatte eine Radtour zu einigen Windmühlen für uns gebastelt. Ich entschuldige mich jetzt schon mal, dass ich jeder von ihnen unten ein paar Zeilen widme.

Los ging es. Der Himmel war bedeckt, die Wolken hingen tief, leichter Wind bei ca. 16 Grad und Aussicht auf etwas Regen.

Den Anfang machte die Kuremølle. Eine hübsche Holländerwindmühle, die von 1861 bis 1960 in Betrieb war.

Kuremølle

Im Pedersker Wald, durch den es sich herrlich radeln ließ, kamen wir an einer feudalen Hütte vorbei. Es gab einen Grill, Feuerholz, Pferdeparkplätze und ich würde sagen zwei Ebenen zum Schlafen (da bin ich mir aber nicht ganz sicher) sowie ein Plumpsklo mit selbstabsenkendem Klodeckel. Sie hieß dann auch passenderweise Jagdhütte.

Jagdhütte

Weiter ging es über Felder, kleine Wege und Nebenstraßen vorbei an einsam gelegenen Gehöften oder kleinen Ansammlungen von Häusern.

Von der Myreagre Mølle (1865 – 1970) stand nur der Turm. Die drehbare Haube war abgenommen und lag daneben. Es sah aus, als würde sie für eine Sanierung bereit liegen.

Myreagre Mølle

Unsere erste Rast (Obst und Nüsschen) machten wir an der Egeby Mølle, einer schnuckeligen Bockwindmühle von 1787. Bis 1920 war sie in Betrieb und seit 1935 gehört sie dem Bornholmer Verband, der sich, dem Zustand nach zu urteilen, bestens um sie kümmert.

Egeby Mølle

Unterwegs kamen wir immer wieder an den bereits öfter erwähnten Selbstbedienungsständen vorbei. Am ersten Honigstand haben wir nur geschaut. Am zweiten konnten wir den Honig sogar verkosten und haben dann zwei Gläser mitgenommen. Es empfiehlt sich, immer genügend Kleingeld dabei zu haben.

Erstmal gucken
… dann verkosten und kaufen…

Kaffee und Kuchen hatten wir an der Årsdale Mølle eingeplant. Leider wurde daraus nichts, da die Mühle, das daneben liegende Café und die Steinschleiferei am heutigen Sonntag Ruhetag hatten. Es gab trotzdem eine Bank, wo wir gemütlich unser Brötchen essen konnten.

Die Mühle kann normalerweise besichtigt werden und auch noch heute wird dort Mehl gemahlen. Damit ist sie die einzige Mühle Dänemarks, die seit ihrer Errichtung 1877 durchgehend in Betrieb ist. Seit 1959 steht sie unter Denkmalschutz.

Årsdale selbst ist ein schöner kleiner Küstenort, hübsche Häuser, ein kleiner Hafen, eine Fischräucherei.

Årsdale Mølle

Jetzt standen nur noch zwei Windmühlen auf unserem heutigen Programm. Beide in Svaneke.

An der Bechs Mølle oder auch Stubmølle sind wir schon mehrfach vorbei geradelt, denn sie liegt auf unserem Weg nach Svaneke. Dass sie die größte Bockwindmühle Dänemarks ist, war uns aber nicht bewusst (im Vergleich zur Egeby Mølle, die wir vorher besucht haben ist sie wirklich riesig). Sie wurde bereits 1629 gebaut, im Laufe der Jahrhunderte mehrmals umgebaut und erweitert und 1960 schließlich umfassend saniert. Viele Balken im Inneren sollen noch original sein. Der Förderverein Svaneke kümmert sich um den Erhalt.

Bechs Mølle in Svaneke

Die zweite Mühle im Ort und auch die letzte unserer Tour ist die Svanemøllen – die Schwanenmühle von 1856. Passend zu ihrem Namen und auch zum Namen der Stadt hat sie als Wetterfahne einen Schwan. Von außen ist sie mit Holzschindeln bedeckt, wobei zwei Seiten mit runden Schindeln verkleidet sind und zwei Seiten mit eckigen. Auch sie wurde 1960 umfangreich saniert und wird von einer Trägergemeinschaft im Ort unterhalten.

Svanemøllen in Svaneke

Nach so vielen Mühlen hatten wir uns Kuchen verdient. Wir lagen gut in der Zeit und waren gegen dreiviertel drei am Imbiss in Svaneke, der neben Burgern, Hotdogs und Pommes auch mit „hjemmebagt kage“ (hausgemachtem Kuchen) auf einem Schild wirbt. Es gab aber keinen. Er war nicht bereits alle – nein – es gab einfach keinen. Schnell radelten wir zu unserem Brötchenstand. Dort hatten sie, als wir heute Morgen aufgebrochen sind, ein Schild angebracht und mit Kaffee und Kuchen geworben. Als wir um drei ankamen wurde gerade das Schild abgebaut und das Verkaufsfenster war bereits geschlossen. Aber sie hatten noch genau zwei Stück übrig – Glück gehabt! Bei strahlendem Sonnenschein haben wir uns den Kokoskuchen vor unserem Ferienhaus schmecken lassen.

Das war eine wirklich schöne Tour. Die Landschaft war abwechslungsreich, es gab immer mal wieder etwas zu gucken, unterwegs konnten wir Brombeeren naschen und obwohl es immer wieder auf und ab ging radelte es sich herrlich. Geregnet hat es immer bevor wir irgendwo ankamen und am Ende der Tour war herrlichster Sonnenschein. Ein perfekter Tag!