Taxi, Taxi!

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Noch nie in meinem Leben bin ich so viel Taxi gefahren wie hier in Arequipa. In Arequipa gehören die Taxis einfach zum Stadtbild, gar nicht auzudenken wie farblos der Autoverkehr ohne diese kleinen gelben Flitzer wäre. Die Taxis sind toll und damit fahren macht Spaß auch wenn ich mich erst ein wenig daran gewöhnen musste. Anfangs saß ich eher verkrampft im Auto, habe mich an den Sitz geklammert und mit gebremst. Aber das hat sich gegeben, mittlerweile habe ich vollstes Vertrauen in die arequipeñischen Taxistas.

Wenn ich ein Taxi brauche rufe ich einfach bei Taxi Plus an und sage „Un servicio para Destino Sur por favor“. Die Frauenstimme am anderen Ende fragt dann normalerweise: „Al nombre de quien“. Und da ich hier gelernt habe das R in meinem Namen zu rollen, hat sie sofort verstanden und sagt dann nur noch, dass es in vier oder sieben oder neun Minuten da sein wird. Sie sagen nie fünf oder zehn, keine Ahnung wieso. Wenn es dann unten an der Tür klingelt wartet da schon das Taxi. Für normalerweise drei Soles (wenn man Glück hat für 2,50 Soles) geht es dann fast überall hin, egal ob wir unterwegs drei Stunden im Stau stehen oder nicht. Etwas weiter weg sind es dann vier oder fünf Soles, zum Flughafen auch schon mal acht bis zwölf.

Wenn man sich kein Taxi bestellt nimmt man eines von der Straße. Einmal kurz gewunken und schon halten sie neben einem. Aber man soll nicht jedes Taxi nehmen besonders nicht bei Dunkelheit und immer die Registrierungskarte vorn an der Windschutzscheibe prüfen. Vor dem Einsteigen wird grundsätzlich der Preis erfragt und wenn der nicht genehm ist kann auch gehandelt werden. Dabei kann man schonmal 12,5 bis 25 Cent sparen. Bei einem Stundenpreis von 10 Soles frage ich mich allerdings wie der Taxifahrer dabei noch etwas verdient, wenn er sein Taxi nur gemietet hat und auch die Taxizentrale noch bezahlen muss.

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Dem Taxifahrer ist auch relativ egal wie viele Leute bei ihm mitfahren, am Preis ändert sich da nichts. So haben wir schon zu siebent plus Taxifahrer im Auto gesessen, hinten fünf und auf dem Beifahrersitz zwei. Dabei darf man nicht vergessen, dass es sich bei den Taxis hier um kleine Flitzer handelt, so a lá Smart, na gut schon ein wenig größer aber nicht viel. Dass wir mit dieser Besetzung mal ab und zu auf einem der Bremshügel aufsetzen ist ja nicht weiter verwunderlich, aber der Taxista fährt und fährt.

Die Taxifahrer sind auch richtige Umweltschützer und Leibwächter. Wenn sie einen nachts nach Hause fahren, warten sie grundsätzlich bis man im Haus ist und fahren dann erst weiter. Oft genug sagen sie beim Aussteigen auch, dass man vorsichtig sein soll, auf seine Tasche aufpassen soll etc. Der Umwelt zu liebe, aus Kostengründen oder wie auch immer haben sich die Taxifahrer einen besonderen Trick ausgedacht. Sie schalten den Motor unterwegs aus, wenn sie genug Schwung haben, dann wieder an und wieder aus. Je nachdem wie sie es brauchen. Die sind schon gewitzt die Arequipeños !

Auch das Innenleben eines Taxis ist spannend. Einige Fahrer haben ihren eigenen kleinen Altar auf dem Amaturenbrett – religiöse Bildchen, kleine Figuren, Kreuze etc.. Es gibt kaum Taxis die nicht wenigstens ein Heiligenbild am Spiegel hängen haben. Das soll bei dem täglichen Kampf im Großstadtdschungel helfen aber natürlich sind die Peruaner auch sehr gläubige Menschen und bekreuzigen sich laufend wenn sie an einer Kirche vorbeifahren und küssen anschließend ihren Daumen.

Es gibt eine unüberschaubare Anzahl an Taxigesellschaften. Erkennen tut man sie immer an dem leuchtenden Schild auf dem Dach. Da steht dann Taxi Plus, Taxitel, Turismo Arequipa oder sonst etwas. Fast alle Autos sind gelb, ein paar wenige auch weinrot oder blau. Es gibt auch größere Taxis (also richtige Autos) die haben dann alle möglichen Farben nur kein gelb. Früher sahen die Taxis alle normal aus, bis eingeführt wurde dass alle gelb sein müssen. Da gab es dann erstmal Streit und eine kleine Revolte, denn keiner wollte kostspielig sein Auto umspritzen lassen. Nun sind sie doch alle gelb und die, die es nicht sind dürfen offiziell nicht zum Plaza de Armas (dem Hauptplatz) fahren bzw. dort halten.

Nicht nur die Taxis auch die Taxifahrer sind eine Spezies für sich. Immer zu einer kleinen Unterhaltung aufgelegt wird mir bei so einer Fahrt eigentlich nie langweilig. Wie mir denn Arequipa gefalle, wo ich her komme, wo ich Spanisch gelernt habe, dass Deutschland ganz schön weit sei, was denn ein Flug dorthin koste, ob ich denn schon in Cusco war oder wie denn Taxifahren in Deutschland sei werde ich gefragt. Manchmal unterhalte ich mich auch über Politik, das Wetter oder die Geheimsprache der Taxistas.

Naja, so geheim ist die gar nicht, aber auf jeden Fall wird immer und gern gehupt. Neben der normalen Hupe haben alle Autos hier auch eine kleine Sirene, die eigentlich hauptsächlich eingesetzt wird. Ich laufe also friedlich auf dem Gehweg … zwei Mal kurz hinter mir gehupt heißt dann „Hey willst du nicht lieber Taxi fahren, ich bin frei!?“. Wenn man dann abwinkt schauen sie etwas verdutzt, denn dass hier einer tatsächlich läuft um sein Ziel zu erreichen ist doch eher ungewöhnlich. Die Taxistas grüßen sich auch hupend untereinander, je nach Fahrer wird dann ein oder zweimal kurz die Sirene angedreht.

Natürlich wird die Hupe (diesmal die richtige) auch immer exzessiv eingesetzt, wenn es sich irgendwo staut. Dass das gar nichts bringt ist ja erstmal völlig egal, Hauptsache mithupen. Hupen heißt aber auch „Achtung, ich komme“ oder „Platz da!“ zum Beispiel, wird immer gehupt wenn sich das Auto einer Kreuzung nähert. Nur nicht abbremsen, der andere weiß ja, dass ich komme. Überhaupt, scheint es hier keine Verkehrsregeln zu geben. Gefahren wird kreuz und quer, ob die Straße ein- oder zweispurig ist zählt nicht, irgendwie kommt man schon an dem Auto da vorne vorbei – da ist ja noch ne Lücke. Auch beim Abbiegen wird kaum geschaut, erst Recht zählen Vorfahrts- oder Stoppschilder kaum etwas (soweit es sie denn gibt). Unfälle gibt es im Stadtverkehr dafür doch relativ selten. „Dafür fahren wir zu defensiv“, hat mir mal ein Taxista gesagt.

Taxifahrer erkennen einen auch grundsätzlich wieder. Wieviel es denn nach Vallecito koste frage ich. „Genauso viel wie gestern“. Aja, kann sein, dass du mich gestern schon mal nach Hause gefahren hast, aber es war doch dunkel und die Fahrt dauert keine fünf Minuten und wir haben auch kein Wort gewechselt. Naja, sowas gehört wohl zum Job dazu. Der krasseste Fall ist wohl unser Taxifahrer Javier, mit dem Melanie und ich relativ am Anfang mal nachts nach Hause gefahren sind. Auch hier war es stockdunkel, spät und nur ein paar Minuten Fahrt. Er fragte wie wir heißen und erzählte uns dann von seiner Panflöte. Wir konnten uns kaum noch daran erinnern, doch zwei Tage später fährt auf einmal winkend ein Taxi vorbei und kommt dann rückwärts zurück gefahren. Wir haben uns gar nichts dabei gedacht, denn gewunken wird öfter mal, man ist hier halt die „gringa“. Aber als dann jemand meinen Namen rief, stand da der Javier und freute sich wie ein Schneekönig uns wiederzusehen. Er hat uns dann zu einem Panflötenkonzert eingeladen und uns auch schonmal zum Supersonderpreis von A nach B befördert. Zu unserer Abschiedsfeier am Freitag ist er dann auch unserer Einladung gefolgt. Als Abschiedsgeschenk gab es eine Flöte, eine CD mit Panflötenmusik und ein Video von dem Konzert. Diese Taxistas !

Ja, Taxifahrer in Arequipa sind eine Institution. Sie tragen viel bei zum Flair der Stadt. Und wenn mich abends der Hunger plagt und ich Appetit auf einen Döner oder so habe, dann rufe ich in der Taxizentrale an und zwanzig Minuten später steht der Taxista mit der Bestellung in der Tür – das nenne ich Service!