Ziemlich glücklich, dass ich jetzt doch nicht separat von der Gruppe loswandern muss starten wir dann gemeinsam. Wir sind eine bunt gemischte Truppe. Zwei Schweizer, zwei Deutsche und eine Holländerin. Silke, Jean und Simon kenne ich schon, mit ihnen habe ich bereits das Tanzbein geschwungen und ein paar tragos geleert. Mit Karen ist unsere Fünfergruppe dann komplett. Unser Anführer ist Remmy, seit 10 Jahren Führer im Colca Cañon und selbst begeisterter Wanderer und Bergsteiger. Ist sogar mal extra nach Chile gereist um einen Sechstausender zu besteigen. Wir waren also in guten Händen.
Am Rande der Schlucht angekommen erklärte und zeigte uns Remmy die Route, die wir in den nächsten Tagen wandern würden. Am ersten Tag ging es erst einmal nur bergab. Kaum losgewandert, gleich nach der ersten Wegbiegung sahen wir ihn schon, den König der Lüfte. Einen Anden-Kondor. Den Vogel, der vom Aussterben bedroht ist hier aber in freier Wildbahn beobachtet werden kann und dem eigens ein Aussichtspunkt gewidmet wurde. Das war also ein gutes Omen, denn manche Touristen warten stundenlang irgendwo um einen Kondor fliegen zu sehen.
Das Bergpanorama war wunderschön! Die Wanderung an sich war wenig spektakulär. Immer bergab auf einem sandig-steinigen Weg mit viel Geröll, der Teilweise eher einer Schotterpiste glich. Hier mussten wir etwas aufpassen im losen Geröll nicht auzurutschen, aber wir waren alle ganz geübt darin und hatten keine Probleme. Karen hatte etwas mehr Schwierigkeiten damit doch unser Guide kümmerte sich bestens um sie.
Nach ca. 4,5 Stunden erreichten wir die Brücke in Llahuar, einem kleinen Örtchen. Hier rasteten wir erst einmal und Silke und ich trauten uns in das eiskalte Wasser des Rio Colca. Brrr, war das kalt, aber nach so einer Wanderung tat das richtig gut. Wir übernachteten in einfachen Hütten bei einer Familie. Zum Abendbrot gab es Suppe und frische Forelle mit Reis, alles auf einem Holzfeuer zubereitet. Vorher konnten wir noch Kaktusfrüchte probieren – auch sehr lecker. Da es dort keinen Strom gibt war um halb zehn schon der Tag vorbei und wir verkrochen uns in unsere Betten.
Ebenso schnell war dann auch die Nacht vorbei, denn Remmy weckte uns bereits um 5 Uhr. Nach einem Frühstück mit Brötchen, Marmelade und Coca-Tee haben wir dann erst einmal 900 Höhenmeter in etwas mehr als zwei Stunden zurück gelegt. Man war das anstrengend. Ich hatte wirklich ganz schöne Probleme, war völlig außer Atem und meine Beine wollten überhaupt nicht. Hätte der Aufstieg nur etwas länger gedauert, ich hätte mich schmollend geweigert weiter zu gehen. Das war die reinste Quälerei und meine scheuernden Schuhe taten ihr übriges.
Endlich in 3.000 Metern Höhe angekommen führte uns der Weg dann relativ eben am Berg entlang. Das tat richtig gut und von Erschöpfung war nichts mehr zu spüren. Wir hatten auch ein schönes Ziel vor Augen – die Oase. Grün und mit tropischem Flair leuchteten uns von unten schon die Palmen und die Pools entgegen. Dazu mussten wir aber erstmal wieder hinunter wandern. An der Brücke vor der Oase machten wir noch einmal Rast und ließen es uns schmecken. Die Schweizer hatten Käse und Schokolade dabei, ich herzhafte Würstchen, Äpfel und Gummitiere – war das ein Schmausen!
Die Oase war dann wirklich traumhaft. Alles grün, viele Pflanzen, einladender Pool und urige Strohhüttchen. Wir haben gar nicht lange gezögert, sind erstmal ins kühle Nass gesprungen und haben dort Volleyball gespielt. Nach dem Mittagessen haben wir dann faul auf der Wiese gelegen und das Panorama genossen. Auch heute war der Tag wieder früh vorbei. Schon um acht Uhr verkrochen wir uns diesmal in unsere Betten, denn am nächsten Tag stand uns ein anstrengender dreistündiger Aufstieg zurück nach Cabanaconde bevor.
Um zwei Uhr raschelte es an unserer Strohhüttchentür. Dreißig Minuten später sind wir bereits losgewandert. Remmy wollte möglichst früh mit uns los, damit wir noch vor dem Sonnenaufgang oben ankommen. Denn bei Sonne sei das nur schwer zu schaffen, sagte er uns. Nach dem beschwerlichen Aufstieg am Vortag hatte ich richtigen Bammel, ob ich das schaffen würde. Innerlich hatte ich mich schon auf einem Esel sitzend nach oben traben sehen. Aber von Eseln war nichts zu sehen. Mit der Taschenlampe in der Hand ging es also los. Schritt für Schritt in die Dunkelheit. Ich glaube ich war noch im Halbschlaf, aber das war wohl auch besser so, denn so setzt man automatisch immer einen Fuß vor den anderen.
Unterwegs wurden wir von Mulis mit Lasten und ihren Reitern überholt. Die haben ein ganz schönes Tempo drauf. Irgendwann bin ich mir dann schon selbst wie so ein Esel vorgekommen. Kopf die ganze Zeit stur auf den Boden gerichtet und bedächtig einen Fuß vor den anderen setzend, trotte ich den Berg hinauf. Irgendwann treffen wir auch auf eine Oma, die sich langsam ihren Weg hinunter ins Tal bahnt. Sie ist 85 Jahre alt und läuft mal eben so alleine die 1.200 Höhenmeter zur Oase hinunter. Ich bin bloß froh, dass sie uns nicht überholt hat!
Ich warte, dass jeden Moment die totale Erschöpfung einsetzt, aber nichts passiert. Ich laufe und laufe und es bereitet mir keine überragende Mühe. An einem kleinen Stand am Wegesrand stärke ich mich mit einer Banane und weiter geht es. Ob wir schon die Hälfte erreicht hätten frage ich Remmy. „Noch nicht“ ist seine leider ehrliche Antwort. Langsam wird es hell und wir können tatsächlich sehen, wieviel Berg wir noch vor uns haben. Wahrscheinlich ist das mit dem im Dunkeln loswandern auch ein psychologischer Trick, damit man nicht sieht wie weit es noch ist.
Nach fast genau drei Stunden kommen wir oben an – juhu, geschafft! Nach einem kurzen Frühstück in Remmys Haus nehmen wir den ersten Bus nach Chivay um uns dort im Thermalbad zu entspannen. Die Anlage ist toll. Mehrere Becken mit heißem Wasser und rundherum ein traumhaftes Bergpanorama. Das haben wir uns verdient!
Auf der Rückfahrt nach Arequipa, schon um 13 Uhr, habe ich einen netten Opi neben mir, der mich gut unterhält. Ob ich Peru nicht für sehr unterentwickelt und rückständig halte fragt er micht gleich nachdem er erfährt, dass ich aus Deutschland bin. Während ich bei dem Geschunkel so langsam wegnicke, schubbst er mich immer wieder an und zeigt und erklärt mir Sachen, die am Busfenster vorbei ziehen. So sehe ich unter anderem Gestein, das Kupfer enthält, Vicuñas und den Nevado Ampato.
Das war eine echt schöne Wanderung mit einer netten Truppe. Den Ausflug lassen wir abends mit einem leckeren Crepes und ein paar Spielen Jenga ausklingen.
Fotos gibt es in der Galerie.