Kazimierz – das jüdische Viertel

Ein Erholungsurlaub ist das wahrlich nicht. Unser heutiger Rundgang durch das jüdische Viertel Kazimierz begann bereits um 09:00 Uhr. Wir mussten also wieder früh aufstehen und später frühstücken.

Unsere Stadtführerin trafen wir an der alten Synagoge. Wir waren nur drei Gäste, also eine schöne kleine Gruppe.

Die Alte Synagoge.

Der Rundgang umfasste die Zeit vom Mittelalter bis heute. Kazimierz – benannt nach König Kasimir dem Großen – war bis 1800 eine eigene Stadt und das jüdische Viertel war, abgegrenzt durch eine Mauer, ein Teil davon. Im Mittelalter zogen immer mehr Juden aus verschiedenen Ländern Europas nach Kazimierz und die Stadt wurde ein wichtiges jüdisch-intellektuelles Zentrum.

Zaun auf der Szeroka-Straße in Kazimierz.

Während der 3. polnischen Teilung 1795 fiel die Stadt den Habsburgern zu. Ungefähr zu dieser Zeit wurden auch für Juden Familiennamen verpflichtend eingeführt, was vor allem verwaltungspraktische Gründe, u. a. zum Beispiel für den Einzug von Steuern, hatte. Vorher hatten Juden in Osteuropa nur traditionelle Vornamen und flexible Zweit- oder Spitznamen. Die neuen Familiennamen durften sie sich ausdenken bzw. aussuchen oder wurden ihnen von Verwaltungsbeamten gegeben. Um die Integration der Juden zu fördern sollten sie möglichst unauffällige deutsche Namen tragen. Typisch waren aber auch Namen, mit einer Referenz an die Herkunft (z. B. Krakauer, Berliner), an das alte Testament (Grün), Berufe (Salzmann), die Wohnstätte (Rothschild) oder andere phantasievolle, oft poetisch klingende Namen.

Tor in Kazimierz.

Nach und nach erhielten die jüdischen Einwohner dann auch die vollen Bürgerrechte. Die Bevölkerung wuchs und durfte sich im gesamten Stadtgebiet ansiedeln.

Reste der Mauer, die bis 1822 das jüdische Viertel umgab.

Vor Ausbruch des 2. Weltkrieges lebten ca. 60.000 Juden in Krakau, was etwa einem Viertel der Gesamtbevölkerung entsprach, und es gab ungefähr 130 Synagogen und Bethäuser. Heute gibt es noch 7 Synagogen von denen wir einige auf unserem Rundgang passiert haben (nicht mehr alle werden religiös genutzt).

Die Hohe Synagoge (so genannt, weil sich der Gebetsraum im Obergeschoss befand, wohl einmalig in Polen).

In den Jahren 1939 und 1940 verließ ein Großteil der jüdischen Bevölkerung Krakau aufgrund von Repressalien, Vertreibung und Befehlen zum Verlassen der Stadt. Die verbliebenen etwa 11.000 Juden wurden 1941 südlich von Kazimierz, auf die andere Seite der Weichsel, in ein durch Mauern und Stacheldraht abgeriegeltes Ghetto mit einer Größe von ca. 400 x 600 Meter zwangsumgesiedelt.

Ein Großteil der Juden musste in Fabriken in der Umgebung arbeiten, wurde später in Lager gebracht, umgebracht oder starb aufgrund der Umstände im Ghetto.

Denkmal der leeren Stühle im Stadtteil Podgorze, wo sich das jüdische Ghetto befand.

Heute leben ca. 150 Juden in Krakau. Das Viertel ist lebendig mit vielen Bars, Cafés, Restaurants, kleinen Geschäften und Hotels – unsere Stadtführerin sagte, dass diese mehrheitlich von Polen betrieben werden.

Im Inneren der Tempel-Synagoge.

Da Krakau im 2. Weltkrieg nicht zerstört wurde gibt es zahlreiche architektonisch schöne Gebäude, von denen viele hübsch saniert sind. Allerdings sind auch nicht wenige Häuser, aufgrund ungeregelter Besitzverhältnisse, unsaniert und in wirklich schlechtem Zustand.

Ein Haus in Kazimierz.

Der Rundgang war sehr interessant und kurzweilig. Leider war er mit 90 min kürzer als gebucht. Das haben wir aber nicht sofort gemerkt. Nunja, so konnten wir zumindest etwas früher frühstücken.

Unterwegs in Kazimierz.

Bernhard ist seine Erkältung immer noch nicht wieder richtig los geworden Heute brauchte er deshalb mal eine Pause zum Inhalieren und für einen Mittagschlaf. Während er also zurück zur Ferienwohnung ging habe ich noch ein wenig die Stadt erkundet. Ich bin durch das Gebiet des ehemaligen Ghettos im Stadtteil Podgorze gelaufen, dann an der Weichsel entlang, wo die Menschen die Sonne genossen, am Riesenrad vorbei, weiter entlang am Fluss mit schönem Blick auf den Wawel und im Zickzack zurück nach Kazimierz. Dort habe ich ganz versteckt unter einem Gebäudebogen eine kleine Konditorei entdeckt, die es bereits seit 1971 gibt und die drei kleine Tische hatte. Einen Milchkaffee und ein kleines Stück Himbeerbaiserkuchen für insgesamt unschlagbare 3,40 Euro habe ich mir dort schmecken lassen.

Hmmm…

Frisch gestärkt habe ich mir dann noch die Paulinerbasilika, eine barocke Kirche angeschaut und die Ruhe auf dem schönen Außengelände genossen.

Zum Abendbrot war Bernhard ausgeruht und wir haben uns Piroggen in einem kleinen Lokal schmecken lassen.

Nach einem kleinen Spaziergang sind wir dann nochmal zum Bahnhof Grzegórzki gelaufen, wo ich gegen 18 Uhr gesehen hatte, wie zwei Männer einen Grill aufbauen und Kisten mit kleinen Holzscheiten daneben standen. Ich wunderte mich erstens über die Uhrzeit und war zweitens neugierig. Als wir ankamen war dort eine Schlange von knapp 10 Leuten, weitere standen bereits an einem größeren Stehtisch und aßen. Wir reihten uns ein und ließen uns dann noch eine holzgebratene Wurst (ich nenne sie jetzt mal Krakauer) mit Senf und Brötchen schmecken. War sehr lecker.

Schritte: ca. 25.000 – ich habe platte Füße

Wetter: sonnig, blauer Himmel; immernoch sehr kalter Wind.